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Heere



Die Gebietsreform im Jahre 1974 brachte es so mit sich: die beiden ehemals selbständigen Dörfer Groß- und Klein Heere wurden zur Gemeinde Heere zusammengeschlossen. Heute bietet sich dieses Gemeinwesen dem Betrachter - etwa vom Rand des Hainberges aus gesehen - als eine sehr schön gelegene geschlosse­ne Einheit dar.

Erst auf den zwei­ten Blick fällt auf, dass es zwei Kernbereiche mit enger Bebauung und großen Hofdächern, sowie zwei Kirchturmspitzen im Ortsbild gibt; beides verbunden durch eine bis heute planmäßig gewachsene Neubausiedlung. Verfolgt man die Geschichte bei­der Dörfer zurück, so findet man ebenfalls mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes.

Beide Dörfer sind sehr alt. Der abgeschliffene, kurze und schwer erklärbare Ortsname „Herre“ (Neueste Ortsnamensforscher deuten das im Ortsnamen enthaltene Element „har“ in der Bedeutung „steinige Anhöhe“.), die Lage auf sehr gutem Ackerland, die erste Besiedlung an einem Bach in hal­ber Entfernung zwischen Innerste und Hainberg, weisen sie in die älteste Siedlungsperiode überhaupt, die vom ersten Sesshaft werden der Menschen in unserer Gegend bis zur Eroberung durch die Sachsen im Jahre 531 n.Chr. reichte. Aus sächsischer Zeit haben sich in Groß Heere die Reste eines Thieplatzes erhalten. Klein Heere, als zeitlicher Zweitort hat als erste Besiedlung acht gleichgroße Höfe in der Reihe an einem kleinen Gewässer ( sächsisch ), beide Kirchen liegen außerhalb der ersten Siedler, beide Kirchtürme waren vorher vermutlich Wehrtürme des Rittergutes. 

In beiden Dörfern gab es früher eine Adelsfamilie, die sich nach dem Ort benannte. In Klein Heere war dies eine hohe, wohl auf die sächsischen Eroberer zurückreichende Familie, die verschiede­ne Domherren und Pröpste im Bistum Hildesheim stellte. Thedel von Heere besaß neben einem Grundstück in Goslar auch die Zehnten in Klein Heere und in Hahndorf. Der Zehnte von Hahndorf wurde 1150 dem Kloster Riechenberg abge­treten, als sein Sohn Ludolf dort zum Propst gewählt wurde. Die Familie erlosch wohl um 1200. In Groß Heere war dies eine Dienstmannenfamilie, die ihre Hauptlehngüter mit dem Rittergut in Groß Heere und dem ganzen Dorf Henneckenrode besaß. Sie stand hauptsächlich in Diensten der Grafen von Wohldenberg und der Bischöfe von Hildesheim. Zwei schöne Grabplatten in der Groß Heerer Kirche zeugen noch heute von den beiden letzten Ehepaaren dieser im Volksmund "Herren von Heere" genannte Familie. Das Rittergut Groß Heere kam nach dem Aussterben derer von Heere im Mannesstamm (1567) schließlich im Jahre 1578 an die Familie von Salder und 1644 an die Hildesheimer Kaufmanns­familie Storre. Nach deren Aus­sterben belehnte der Bischof von Hildesheim die Westphälische Für­stenfamilie von Westphalen auf Fürstenberg mit dem Gut, mit dem er neben dem automatischen Landtagssitz noch das Hildeshei­mer Ministeramt des Erbschän­ken verband. 1817 erwarben die Groß- und Klein Heerer Reiheberechtigten das Gut für 50.000 Rth. von denen von Westphalen. Das Land wurde aufgeteilt und die großen Gebäude bis auf das Wohnhaus abgerissen. Darin ent­stand später eine Zigarrenfabrik. 

Neben den Wohldenberger Grafen und Hildesheimer Bischöfen waren in beiden Dörfern auch verschiedene Klöster und geistliche Stif­tungen sowie zahlreiche Adelsfa­milien Grundbesitzer, an welche die Bauern ihre Abgaben zu lei­sten hatten. Zahlreiche Urkunden zeugen seit dem Mittelalter von Grundübertragungen, Verpfändun­gen und ähnlichen Rechtsgeschäften. Die älteste bisher be­kannte Urkunde mit dem Ortsna­men Herre stammt vom Jahre 1131. Klein Heere wird schon 1153 als Minori Herre erstmals urkundlich erwähnt. Groß Heere als Majori  villa  Herre im Jahre 1286. Die Bauern beider Dörfer betrie­ben zusammen mit dem rechtlich selbständigen Rittergut eine gemeinsame Feldmark, die erst mit Abschluss der Verkoppelung im Jahre 1858 in getrennte Fluren aufgeteilt wurde. Ein Pfarrer in Heere wird erstmals 1276 erwähnt, die Pfarre erstmals 1295. Das Patronat besaßen zu­erst die Grafen von Wohldenberg, später der jeweilige Landesherr. Bis zur Reformation hatten beide Orte eine eigene Pfarre, danach wurde Klein Heere von Groß Hee­re aus als Filiale verwaltet. Das Groß Heerer Kirchengebäude hat einen alten Turm mit romani­schen Schallöffnungen und Teilungssäulen. Das Kirchenschiff musste 1839 neu errichtet werden, nachdem sein Vorgänger von 1785 wegen Baufälligkeit 1833 gesperrt und schließlich abgebrochen wer­den musste. Neben den erwähnten Grabplatten sind noch ein schöner Kronleuchter sowie die Orgel von 1840 (Abnahme 1842) im Inneren zu nennen. 

Die Klein Heerer Kapelle wirkt insgesamt sehr alt, mit ihrem wehrturmartigen Turm mit querge­stelltem Satteldach und romanischen Stilelementen. Links neben dem Eingang eingemauert befindet sich ein Marienstein mit der Jah­reszahl 1378. Das Innere birgt neben bronzenen Altarleuchtern von 1655 sowie einem sechsarmi­gen Leuchter mit Kugelschaft von 1656 insbesondere ein prachtvoll restauriertes gotisches Altarbild mit einer Datierung in das Jahr 1200. 

Die Schule wurde ursprünglich in Groß Heere gemeinsam betrieben. Im Jahre 1717 stellte man in Klein Heere einen eigenen Lehrer an, der aber nur die kleinen Kinder unterrichten durfte. Eine selbst­ständige Schule bekam man erst 1815. Nach Bildung der Samtge­meinde wurden beide Schulen 1972 aufgelöst. Im Groß Heerer Schulgebäude wurde 1976 ein Kindergarten eingerichtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg die Einwohnerzahl beider Orte stark an, weil viele Heimat­vertriebene untergebracht werden mussten. Es spricht wohl für beide Orte, dass viele dieser leidgeprüften Familien in Heere blieben und hier eine neue Heimat fanden. Die Landwirtschaft, das Sägewerk, die Zigarrenfabrik und die zu Hee­re gehörende Bierbaumsmühle boten dereinst viele Arbeitsplätze im Ort; heute arbeiten viele Pend­ler in den benachbarten Stadtge­bieten.Insbesondere unter den Arbeitern der Zigarrenfabrik bildete sich in Heere schon sehr früh eine aktive Arbeitnehmerbewegung heraus. Seit den ersten freien Wahlen nach dem Ersten Weltkrieg war daher in beiden Dörfern bis heute stets die SPD die bestimmende politische Kraft; nur unterbrochen durch die braune Diktatur. 1848 entstand aus der Bürgerwehr ( 3 Kompanien zu 20 Mann, 6 Zugführer, 60 Piken aus Holz mit Metallspitze, 1 Fahne, 2 Trommeln, keine Gewehre, obwohl man schon seit Jahren Schützenfeste feierte ) mit dem Schützenverein der erste Heerer Verein.

In den Jahren 1870 bzw. 1871 gründeten sich die bei­den Vorgängervereine des heuti­gen Männergesangvereins. Mit Gründung des Kriegervereins im Jahre 1882 entstand der Vorläufer der heutigen Kyffhäuser­-Kameradschaft. Als Sportvereine entstanden 1906 der Radsportverein, der vor einigen Jahren durch seine erfolg­reichen Einrad-Mannschaften bun­desweit für Furore sorgte, sowie 1920 der Fußballverein SV Heere, heute einer der Gründungsvereine des Sportvereins Innerstetal. Mit dem Musikverein (Blasmusik) von 1966 und dem Frauenchor von 1990 entstanden zuletzt zwei mu­sische Vereine. Alle Vereine waren von Beginn an Gründungen für Bürger beider Ortschaften. Auch die Feuerwehr wurde 1891 als gemeinsame Wehr gegründet, trennte sich 1938, weil man eine zweite Spritze erwerben konnte bis  2012. Heute ist man wieder eine Wehr.

Die zahlreichen Heerer Vereine bieten für jedermann die Möglichkeit zu vielerlei sportlicher oder kultureller Betätigung. Ein Sportgelände mit Fußballplatz, Basketballplatz, Flut­lichtanlage und Clubhaus sowie der Schützenplatz mit Schützen­haus und gepflegten Schießstän­den (Luftgewehr, KK, Pistole, Bogen) sind ebenso vorhanden, wie eine mit sehr viel Eigenleistung in den Jahren 1990 und 1991 er­richtete Sporthalle.  

Text: Udo Heinecke